Der perfekte Z-Achsenaufbau - Topology Optimization

Diskussion der Fragestellung: Wie soll die Z-Achsenkonstruktion aufgebaut werden?

Setup für die Optimierung:


Material: Aluminium 5051
Wandstärke des U-Profils: 20 mm
Linearführungen: 15er (Material: Edelstahl, d.h. 15 Breit und 15 Hoch)
Kraft auf Spindelkopf  in X/Y/-Z Richtung je: 10.000 N (bei 80 mm zusätzlicher Auskragung, simuliert langes Werkzeug)
Drehmoment am Spindelkopf: 50 Nm (schnelle Annahme, bei drehender Spindel)
Maximale Massereduzierung: 20% des ursprünglichen Gewichtes
Maximale Elementgröße: 40 mm (spart deutlich Zeit und ist in der Genauigkeit ausreichend)
Symmetrie: Die Konstruktion ist symmetrisch auszuführen (siehe rote Ebene in zweiter Abbildung unten)
Ursprüngliche Masse der Spindelkonstruktion: 14,34 kg
(ohne Spindel, nur "designspace - s.u. orangener Teil)

Einspannungen/Constraints
In folgender Abbildung sind die angenommenen Einspannungen erkennbar. Es wird der schlimmste Fall mit der stärksten Auskragung betrachtet, d.h. die Z-Achse ist ganz nach unten ausgefahren. In der linken Abb. ist der bereits vorhandene Aufbau der Z-Achse zu erkennen. Im zweiten Bild (v.l.n.r.) ist der zu optimierende Bereich orange hervorgehoben, welcher optimiert wird. In der dritten Abbildung sind die Einspannungen gut zu erkennen. Die grauen Linearführungen sind gleitend gelagert, dies ist durch die rote Pyramide mit den grünen Zylinderrollen dargestellt. 
An den zwei mittig oben sitzenden Bohrpunkten ist die Einspannung nur in der horizontalen Richtung beschränkt, da hier das Festlager sitzt. Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass das Festlager an der hinteren Platte befestigt ist. Hierbei wird durch den Eintauchvorgang des Fräsers in neg. Z-Richtung die eingeleitete Kraft über das Festlager in den Kugelgewindetrieb geleitet. Welcher durch die feststehende Kugelumlaufmutter die vertikale Bewegung verhindert. Aus diesem Grund ist hier die vereinfachte Annahme getroffen worden, dass das Festlager direkt die Auf- und Abwärtsbewegung einschränkt, um die aufwändige Konstruktion des KGTs (Kugelgewindetriebs) nicht zu berechnen. 
Das untere Loslager ist vollkommen frei und ohne Einspannungen zu sehen, da die Prozesskräfte in nur sehr geringen Ausmaßen vom Loslager aufgenommen werden können.  


Verschiebungsrestriktion/Displacementrestriction:
Eine Verschiebungsrestriktion ist einfach ausgedrückt ein Sensor, der die Verschiebung an einem Ort misst und keine weitere Verschiebung für die Berechnung zulässt. Dieser Sensor wurde direkt am Spindelkopf eingefügt. Die max. Verschiebungen in allen Richtungen sind unter 0.5 mm zu bleiben. Selbstverständlich sind diese Verschiebungen für eine reale CNC Fräse deutlich zu hoch gewählt. Würde jedoch die Verschiebung weiter reduziert werden, so wäre ein deutlich höherer Rechenaufwand zu erwarten.

Ziel dieser Optimierung:
  • Minimierung des Gewichtes, da u.a. die Trägheitskräfte in der Dynamik dem System stark entgegenwirken. 
  • Verbesserung der Steifigkeit, werden die Strukturen optimiert, so kann mit weniger Gewicht die Steifigkeit sogar erhöht werden. 
Grundsätzliche Ziele der Optimierung:
  • Hohe Eigenfrequenzen
  • Hohe Steifigkeiten
  • Geringe Kosten
  • Große Dämpfung
  • Geringes Gewicht bewegter Bauteile
Diskussion:

Einzeln aufgebrachte Kräfte

Zu Beginn betrachten wir die Auswirkungen der einzeln aufgebrachten Kräfte. Es wird je eine Kraft in eine Richtung aufgebracht und die optimierte Topologie diskutiert. 
Eine sofort auffallende Gemeinsamkeit ist das Entfallen des Materials an der unteren Spindelhalterung (unterer Ring um die Spindel). Dies hängt damit zusammen, dass sich die Z-Achsen Rückplatte bei voller Auskragung an der Unterseite stark verformt und somit keinen richtigen Widerstand gegen die Verformung bieten kann. So versucht der Optimierungsalgorithmus das Material weit oben an die Linearschlitten anzuknüpfen.
Bei der Belastung in Y-Richtung (3. Abb v.l.) wird beinahe keine Rückplatte benötigt. D.h. wer mit seiner Fräse nur vor- und zurückfräst benötigt nur zwei Seitenteile. Bei der Drehmomentbelastung versucht das Material die obere Spindelhalterung wie eine umlaufende Klemmung gegen Verdrehung festzuhalten und die Kraft in die unteren Linearschlitten einzuleiten.
Exemplarisch wird die Druck-/Zugverteilung von der Z-Optimierung und der X-Optimierung aufgezeigt. 
Grünlich dargestellt ist die Druckbelastung und rötlich die Zugbelastung. In der linken Abbildung ist das vertikale hochleiten des Materials und unter ca. 45° einleiten der Zugkraft in die Linearschlitten sichtbar. Die unteren Linearschlitten werden rein auf Zug beansprucht. In der Mitte der Rückplatte ist in beiden Fällen mittig eine Öffnung zu erkennen.
Auf der mittleren Abb. ist die symmetrische Trennung der vertikalen Druck-/Zugverteilung gut zu erkennen.


In der  exemplarisch dargestellten Z-Optimierung ist der Sicherheitsfaktor stets überall über 6. Bei der X-Optimierung ist der Sicherheitsfaktor über 2 und enthält lokale Spannungsspitzen, die sich im Bereich der Linearschlitten befinden.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich bei den gegebenen Belastungen stabile Linearschlitten zu verwenden!
Warum wurde nun die Mühe gemacht um alle Belastungen aufzuteilen und zu analysieren? Ganz Easy: Die CNC kann zwar simultan verfahren (alle Achsen gleichzeitig), oft werden beim Fräsen jedoch alle Achsen separat angesteuert. Nichtsdestotrotz wird niemand seinen Z-Achsenaufbau wechseln, wenn er in eine andere Richtung fräst :-) Deshalb weiterlesen!

Überlagerung der Krafvektoren
Nun ist uns zwar bekannt, wie die Form der Achse aussehen soll wenn die einzelnen Kräfte wirken. Es stellt sich die Frage wie sollte die Konstruktion aussehen, wenn alle Belastungen gleichzeitig wirken. Eine Überlagerung der einzelnen Optimierungen und der Massenreduktion:
 Von oben links nach unten rechts ist die Massenreduktion in % des urspr. Gewichtes angegeben:
20, 30, 35, 40, 45, 50  
Bei 20% ist der obere Teil der Struktur sehr gut erkennbar, das X in der Rückplatte und das seitliche "Fachwerk". Weiterhin zu erkennen ist, dass beim Übergang von 30% auf 35% eine weitere Verknüpfung zum unteren Lager aufgebaut wird. Der komplette Verlauf der Struktur ist nur deutbar, da die Elementgröße 40 mm beträgt. Wird nun die Elementgröße auf 10mm reduziert, so sollte die Struktur feiner aufgelöst werden. Dies Bedarf jedoch mehr Rechenaufwand und ist aktuell in Berechnung. 

Fazit: 
Auch ohne Topologieoptimierung ist das zuvor gewählte Design gut! Es eröffnen sich nun weitere Optimierungen in der Rückplatte. Es können z.B. nachträglich die X-Verstrebungen hinten eingebracht werden um die Masse deutlich zu reduzieren. Was noch betrachtet werden muss ist die Resonanzfrequenz des Aufbaus. Diese darf auf keinen Fall zwischen 100 Hz und 400 Hz (6.000 U/min und 24.000 U/min) liegen. Da dies eine statische Studie ist, fließen keine Ermüdungsfaktoren oder Dämpfungswerte mit ein. 
Nachtrag: Die Berechnung mit den feineren 10 mm Elementen ist nun nach 4h abgeschlossen und hier das Ergebnis:
Es sind keine einfachen Dreiecke die an den Seitenteilen benötigt werden, sondern es ähnelt sehr stark Y-Verstrebungen.
Eine Analyse wird an die Betrachtungen angeschlossen. Die Analyse der Streckgrenze ist in Prozent bzw. farblich dargestellt. Hierbei ist Rot-100% Streckgrenze erreicht worden und Blau ist die 0% Streckgrenze.
 (v.l.n.r: X- / Y- / neg. Z- und Drehmomentbelastung)

Die Analyse der Topologie ergibt, dass die sehr hoch angesetzten 10.000 N Belastung an den roten Stellen zu Versagen führen würden. Bemerkenswert sind jedoch die geringen Auswirkungen durch die neg. Z-Kraft(Nur blaue Bereiche der oberen dritten Abbildung). Eine genauere Betrachtung des Sicherheitsfaktors zeigt uns jedoch auch hier die Schwachpunkte an. Rechts ist der Sicherheitsfaktor unter 2 isoliert:
(Blau = SF6 und Rot= SF1)
Und zum Schluss, um eine besser Vorstellung von den entstandenen Verformungen zu bekommen, eine GIF Animation. 
Verformungen (Vergrößerungen: Z=182, X=30, Y=14, Drehmoment =1065-fach)
Ich hoffe ich kann mit dieser Diskussion das Verständnis für Verformungen für Anfänger und Profis näher bringen :-)

Ein weiteres gutes Beispiel zeigt die folgende Abbildung von der Fa. Heidenreich und Harbeck, einem Fräsmaschinenhersteller. Nach dem üblichen "Ingenieursgefühl":

"Bei der Optimierung eines mit 2 g querbeschleunigten Schlittens für eine Hochgeschwindigkeitsfräsmaschine stellte sich die Frage, ob die klassische Kastenverrippung für diesen Einsatzzweck wirklich die beste Lösung sei. Bereits 1997 wurde durch eine aufwändige manuelle Variantenstudie eine signifikante Verbesserung gefunden, mit der die Verformungen um 50 % und das Bauteilgewicht um 15 % reduziert werden konnten. Wegen der gleichfalls guten Gießbarkeit der Form sanken die Herstellkosten ebenfalls um 15 %". 
"In diesem Fall konnte gegenüber der manuell gefundene Lösung eine weitere Reduzierung der Verformung um 30 % erreicht werden. Gegenüber der ursprünglichen Kastenverrippung, die weitgehend den gängigen Konstruktionen im Maschinenbau entspricht, ist dies ein Vorteil von 65 %".  Das "U" bezeichnet hier die maximale Verschiebung in mm: 



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